NRD-Finanzvorstand Christian Fuhrmann im Gespräch
Herr Fuhrmann, wie kam das Projekt Dornberg eigentlich zustande?
Der Grund dafür, dass wir einen Teil unseres Zentralgeländes aufgeben und in ein Wohnquartier umwandeln, ist zunächst mal eine sehr erfreuliche Entwicklung. Wie es in der Behindertenrechtskonvention und im Bundesteilhabegesetz vorgeschrieben ist, haben Menschen mit Behinderung ein Recht darauf, so zu leben wie alle anderen. Für uns heißt das, dass wir die frühere zentrale Unterbringung in einer Art Parallelwelt aufgeben – zugunsten dezentraler Angebote im gewohnten sozialen Umfeld. Das Gebiet hat als Zentralgelände damit in seiner bisherigen Funktion ausgedient – stattdessen findet eine Regionalisierung unserer Angebote statt. Damit erhöhen wir die Lebensqualität dieser Menschen erheblich. Der Landeswohlfahrtsverband und die Aktion Mensch unterstützen diese Entwicklung tatkräftig.
Aber warum soll der Dornberg nun zu einem Wohngebiet werden?
Es ist ein Schritt in unserem Weiterentwicklungsprozess, dass wir Teile des Geländes veräußern, um mit dem Ertrag die Mammutaufgabe der genannten Regionalisierung zu finanzieren. Wir wollten dabei aber auch soziale Verantwortung übernehmen und das Gebiet nicht einfach an Investoren verkaufen. Die Umwandlung in Wohnraum – und zwar auch in erschwinglichen – war da naheliegend, weil er in unserer Region dringend benötigt wird. Der Großraum Darmstadt boomt hinsichtlich des Bevölkerungswachstums bei gleichzeitigem Anstieg der älteren Bevölkerungsgruppen. Ein gut durchmischtes und weitgehend barrierefreies Quartier mit zukunftsorientierten Wohn- und Mobiltätskonzepten kommt diesem Trend optimal entgegen.
Manche Gegner des Projekts befürchten aber, dass es zu einem Bevölkerungszuwachs in Mühltal und zu einer nicht mehr tragbaren Mehrbelastung im Straßenverkehr kommt …
Da werden bedauerlicherweise mit teilweise schlichtweg falschen Informationen Ängste geschürt. Der Dornberg ist ja kein Neubaugebiet. Durch die vielen Menschen – in der Vergangenheit immerhin rund 800 Bewohner, Mitarbeiter etc., die hier in einem Sondergebiet tagtäglich ein- und ausgingen – kam es ja schon immer zu einem normalen Verkehrsaufkommen. Durch die Dezentralisierung unserer Wohnangebote in die Region und die Umwandlung in ein neues Wohngebiet wird diese Menge ungefähr gleich bleiben. Woher soll dann eine Mehrbelastung überhaupt kommen?
Aber die Menschen mit Behinderung haben doch kaum Verkehr verursacht.
Verkehrsexperten haben ermittelt – und die Praxis erweist es ebenfalls –, dass eine Person mit Behinderung, die in einer Betreuungseinrichtung lebt, im Durchschnitt die gleiche Anzahl an Autofahrten erzeugt wie eine Person ohne Behinderung, die eigenständig lebt. Das sind die Fahrten der Betreuer zur Arbeit, die Fahrten zur Werkstatt und Fahrten von Dienstleistern wie Handwerkern, Apothekenlieferungen und vieles mehr.
Wozu werden hier falsche Informationen verbreitet?
Ich glaube, das geschieht in den wenigsten Fällen bewusst – eher aus Unwissenheit. Veränderungen bringen immer auch Bedenken mit sich. Dafür muss man Verständnis haben und mit den Leuten offen diskutieren. Und das bieten wir ja auch an. In manchen Fällen habe ich aber den Eindruck, dass gezielt unsachlich gegen uns agiert wird. Vielleicht, um sich politisch zu profilieren – immerhin befinden wir uns ja mitten im Bürgermeisterwahlkampf. Aber diesen auf unserem Rücken auszutragen – und damit nicht zuletzt auf dem Rücken der vielen Menschen, die wir betreuen –, das finde ich offen gesagt traurig und unverantwortlich.
Bei solchen Auseinandersetzungen stellt sich ja immer auch die Frage, wer von was etwas hat. Wer sind denn die „Profiteure“ des Projekts Dornberg?
Zuallererst natürlich die vielen Menschen, die unsere Angebote nutzen. Die Erträge aus der Umwandlung fließen komplett in unsere Kernaufgaben – sie bleiben im System und stärken die diakonischen Angebote. Außerdem natürlich die rund 600 Einwohner, die hier ein neues Zuhause in einem lebenswerten Umfeld finden werden. Schlussendlich profitiert aber auch die Gemeinde als Ganzes. Denken Sie zum Beispiel an die Mehreinnahmen aus unterschiedlichen Steuern wie der Grundsteuer oder der Einkommenssteuer. Und dabei belastet das neue Wohngebiet in keiner Weise den Gemeindehaushalt. Auch das wird von den Kritikern leider gerne unter den Tisch fallen gelassen.